Smart Grid Operation Platform: Die Zukunft der Versorgungssicherheit im Verteilnetz

Ettlingen, 17. April 2024 – Versorgungssicherheit im Verteilnetz zu gewährleisten, gestaltet sich zunehmend als Herausforderung. In den vergangenen Jahrzehnten etablierte Planungsmodelle haben sich bislang bewährt und für eine hohe Versorgungssicherheit gesorgt. Allerdings waren die zugrunde liegenden Annahmen eher statisch. Dem entgegen steht heute eine sich rasant verändernde Charakteristik der Teilnehmer am Verteilnetz. Dies zeigt sich durch die Effekte neuartiger Verbraucher und Erzeuger in dieser Netzebene, die in immer höherer Anzahl vorkommen.

Der massive Neuanschluss von Wärmepumpen, Ladeeinrichtungen, Photovoltaikanlagen und Batteriespeichern bewirkt eine für diese Nutzergruppe bislang nicht gekannte Netzbelastung in Bezug auf Leistung und Zeit. Somit ergeben sich Veränderungen durch eine Vielzahl von Netzteilnehmern, die immer öfter auch zu Erzeugern werden. Gebäudeheizungen, die bislang mit fossilen Brennstoffen betrieben wurden, werden immer öfter durch Wärmepumpen abgelöst. Oft findet gleichzeitig die Installation von PV-Anlagen und Ladeinfrastruktur für E-Mobilität statt. Der daraus entstehende Einfluss aus der Wärme und Mobilitätswende auf die Verteilnetze ist entsprechend hoch und erfordert neue Maßnahmen, um dem Grundauftrag des Erhalts der Versorgungssicherheit nach kommen zu können.

Bisher gängige Netzsimulationen und Modelle sind nur noch in engen Grenzen anwendbar. Die volatilen Entwicklungen müssen adäquat berücksichtigt und stetig angepasst werden. Die Situation ist zunehmend schwieriger einzuschätzen, weshalb es wichtiger wird, regelmäßig aktuelle Daten aus dem Netz und aus statistischen Quellen zu erheben. Die Erstellung von Prognosen und Visualisierungen spielt ebenfalls eine große Rolle, um die Veränderungen des Netzes stetig erkennen zu können. Die gewonnenen Informationen sind für das schnelle und untertägige Handeln immer relevanter und künftig unverzichtbar, um die Netzstabilität zu erhalten. Ziel muss ein geschlossener Regelkreis sein, der Informationssammlung, Visualisierung, Analyse und Erkenntnis gewinn bestehen muss.

Hieraus resultiert schließlich die Entscheidungsfindung mit konkreter Handlung. Der Regelkreis muss dauerhaft und möglichst automatisiert ablaufen. Hierzu sind intelligente Messsysteme als Datenlieferanten und ausführende Organe für Schalthandlungen im Feld eine Voraussetzung.

Einflüsse der Elektromobilität und der Wärme
Anhand der Entwicklungsdynamik des Markts für Elektromobilität werden die genannten Herausforderungen konkret erkennbar. Mit Blick auf die Zulassungszahlen von elektrisch betriebenen Fahrzeugen wird deutlich, dass sich der Bestand dieser Fahrzeuge nahezu verdoppelt hat. Während im Jahr 2020 noch knapp über 100 000 vollelektrische Fahrzeuge zugelassen waren, sind es Ende 2022 schon über eine Million.


Bild 1: Smarte Niederspannungsnetzführung mit der VIVAVIS SGOP

Mit einem solchen Wachstum geht der rechnerische Anstieg der Spitzenleistung von 4 bis 8 % des Maximalbezugs pro Jahr einher, wenn man davon ausgeht, dass Fahrzeuge in großer Zahl gleichzeitig geladen werden.

Auch die Wärmewende bringt eine vergleichbare Dynamik mit sich: Während in ländlichen Regionen vermehrt Wärmepumpen in Einfamilienhäusern im Einsatz sind, werden in städtischen Regionen eher Nah- und Fernwärmenetze genutzt, die zum Teil auch durch Wärmepumpen versorgt werden. Daher kann es in ländlichen Regionen einen höheren prozentualen Zuwachs an benötigter elektrischer Leistung und Energie geben, als in städtischen Gebieten. Die unterschiedlichen Entwicklungen haben direkte Auswirkungen auf das Ortsnetz und bedeuten einen hohen Energiebedarf besonders im Winter in ländlichen Regionen. Gleichzeitig wird eine Vielzahl an Erneuerbaren Energien Anlagen in der Niederspannungsebene angeschlossen.

Hierbei handelt es sich vor allem um PV-Anlagen, die im Idealfall das Netz durch den lokalen Eigenverbrauch entlasten, aber auch zur Belastung durch Überproduktion werden können. Eine möglichst hohe Gleichzeitigkeit von Verbrauch und Erzeugung oder geeignete Energiespeicher zur Pufferung sind erstrebenswert. Es wird schnell klar, dass für gezielte Maßnahmen eine detaillierte Kenntnis über den Zustand des Netzes und adäquate Eingriffsmöglichkeiten wertvoll sind.

Netzorientierte Steuerung
Um den Netzbetrieb künftig sicherstellen zu können, fordert der Gesetzgeber mit § 14a EnWG ab dem 1. April 2024 eine netzorientierte Steuerung von steuerbaren Verbrauchs einrichtungen und steuerbaren Netzanschlüssen. Betrachtet man die zuvor genannten Bereiche der Wärmeversorgung oder E-Mobilität,
können oft durch entsprechende Schaltungen zeitliche Verschiebungen der Lasten stattfinden, ohne dass ein spürbarer Komfortverlust damit einhergeht. Dadurch kann das Netz entlastet, die Versorgungssicherheit garantiert und Netzausbaukosten vermieden werden.

Um dieses Mittel zur Steuerung zielgerichtet verwenden zu können, sind im Vorfeld vielfältige Informationen und daraus abzuleitende Entscheidungen nötig. Im besten Fall werden die Netzteilnehmer beziehungsweise Anschluss- und Gerätenutzer und deren Nutzungsprofile in die Entscheidungen einbezogen.

Eine weitere gesetzliche Anforderung sind flexible Tarife, die jedem Anschlussnutzer ab dem Jahr 2025 angeboten werden müssen. Hierfür sind Kenntnisse über das Netz notwendig, um Anreize zu schaffen beziehungsweise für die Netzsituation geeignete Tarife anbieten zu können. Konkret geht es hierbei darum, Stromproduktionsüberschüsse durch den gezielten Verbrauch zu reduzieren und zu geringe Produktionen durch geringere Nachfrage auszugleichen. Auch auf lokale Engpässe durch Über- oder Unterproduktion kann hiermit reagiert werden.


Bild 2: Darstellung eines Niederspannungsnetzes mit der VIVAVIS SGOP

Netzoptimierung durch Schaltfunktionen und flexible Tarife
Wenn Schaltfunktionen und flexible Tarife sinnvoll zusammenkommen, kann man eine Netzoptimierung erzielen. Die Netzoptimierung hat gemäß NOVA-Prinzip, nach dem sich Energieversorgungsnetzbetreiber
richten, aus ökonomischen Gründen Vorrang vor der Netzverstärkung und die Netzverstärkung hat Vorrang vor dem Netzausbau (siehe dazu EnWG § 11 Abs. 1). Genau an dieser Stelle setzt die VIVAVIS Smart Grid Operation Platform (VIVAVIS SGOP) durch die Verbindung der Akteure in der Niederspannung an. Mit diesem Werkzeug sind Netzbetreiber in der Lage, den heutigen und künftigen technischen Herausforderungen bei der Sicherstellung der Versorgungssicherheit in der Niederspannung zu begegnen. Die VIVAVIS Smart Grid Operation Platform macht das Niederspannungsnetz smart, indem der zu Beginn beschriebene Kreis aus Datenerfassung, Visualisierung, Analyse, Erkenntnisgewinn, Entscheidungsfindung und Handlungsableitung in einem geschlossenen Regelkreis mündet, der automatisiert und fortlaufend abläuft. Dazu bildet die Platform das Netz als digitalen Zwilling ab und optimiert es bedarfsgerecht und vorausschauend unter Einbezug aller relevanten Teilnehmer (Bild 1).

Automatisierter Regelkreis der Smart Grid Operation Platform
Die wichtigsten Schritte in diesem automatisierten Regelkreis der Smart Grid Operation Platform können wie folgt zusammengefasst werden.

Daten erfassen
Erste Schritte bei der Lösungsfindung sind das Sammeln von Daten und Gewinnen von Informationen. In dieser Phase werden unter anderem Echtzeitmessdaten aus dem Netz, aber auch weitere Umweltparameter wie Wetterdaten und statistische Informationen generiert. Alle für das Verständnis der Problemstellung und Lösungsfindung relevanten Daten müssen an dieser Stelle erhoben werden.
Visualisieren
Visualisierungen sind im Kontext der Problemlösung von großer Bedeutung, da sie komplexe Informmationen auf eine verständliche Weise präsentieren können. Dies kann dazu beitragen, dass Experten schneller und effektiver entscheiden können, da sich visuelle Informationen schneller verarbeiten
lassen als reine Texte oder Zahlen. Zudem können visuelle Darstellungen dazu dienen, dass unterschiedliche Perspektiven und Informationen besser verknüpft werden können und somit ein umfassenderes Verständnis entsteht. Hier unterstützt die VIVAVIS Smart Grid Operation Platform vor allem durch eine umfängliche geodatenbasierte und topologische Darstellung des Niederspannungsnetzes (siehe Bild 2) und der Teilnehmer, die mit aktuellen Mess- und Zustandsdaten angereichert wird. Mithilfe dieser Darstellungsform können Engpässe und Überlastungen frühzeitig erkannt werden, um gegenmaßnahmen einzuleiten. Auch Simulationen bestimmter Umschaltszenarien lassen sich hiermit durchführen und bewerten.
Analysieren und Lernen
Nach der Informationsbeschaffung folgt die Analyse und ein KI-basierter Lernprozess. Hierbei werden die
gesammelten Daten ausgewertet und die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Informationen
hergestellt. Dazu stellt die Smart Grid Operation Platform eine Prognosekomponente bereit, die mithilfe von Machine Learning Modellen aktuelle und künftige Zusammenhänge erkennt und darstellt. Dadurch wird es möglich, problematische Situationen vorzeitig zu erkennen und mögliche Ursachen zu identifizieren. Im Sinne einer Vorausplanung kann die Prognose unter Einbezug der Vorzüge der Verbraucher Fahrpläne erstellen, die für eine besser abgestimmte Erzeugungs und Verbrauchssituation sorgen. In der Folge lassen sich daraus geeignete Lösungsstrategien ableiten.
Entscheiden und Handeln
Nach der Findung von Lösungsstrategien folgt deren Bewertung und die Entscheidungsfindung. Hierbei geht es nicht nur um die technische Umsetzbarkeit, sondern auch um andere Faktoren wie Kosten, Zeitaufwand und Akzeptanz bei den Anschlussnutzern. Es gilt, die beste Lösungsstrategie zu finden, gegebenenfalls durch Simulation zu testen und Handlungsableitungen zu erstellen. Dies können Adhoc-Ableitungen für Schaltbefehle sein oder auch die stetige Anpassung von Fahrplänen.

Zusammenfassung
Die VIVAVIS Smart Grid Operation Platform ist ein unverzichtbares Werkzeug für das sich im Wandel befindende Niederspannungsnetz und die Gewährleistung des Versorgungsauftrages. Sie liefert umfassende Lösungen für die Überwachung und Steuerung des Niederspannungsnetzes, um Engpässe und Überlastungen frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden.

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